End of Watch

Von Stephen King

Seit ihm 2005 die schüchterne Holly Gibney ordentlich eins auf den Schädel gegeben hat, vegetiert Brady Hartsfield in Zimmer 217 des Kiner Memorial Hospital vor sich hin. Er sabbert, ist katatonisch, spricht kaum und starrt ins Leere. Von den Ärzten und Schwestern ist er als „völlig gaga“ abgestempelt worden, das Mitleid der Menschen ihm gegenüber hält sich jedoch stark in Grenzen. Brady Hartsfield ist nämlich niemand geringerer als jener Irre, der 2005 absichtlich mit dem Auto in eine Menschenmenge vor dem City Center gerast ist und dabei acht Menschen tötete. Und er hätte weiter gemordet, wäre da nicht Holly gewesen, die ihm just in dem Moment, als er eine Bombe in einer Konzerthalle zünden wollte, die Lichter ausgeblasen und dem Katz-und-Maus-Spiel, das zwischen Detective Kermit W. Hodges und dem Mercedes-Killer entstanden ist, beendet hat. Was aber niemand der Beteiligten von damals ahnt: Hartsfield ist gar nicht so hirntot, wie er alle glauben macht. Im Gegenteil. Er kommt zu sich und entwickelt ganz besondere mentale Fähigkeiten. Und einen Plan, einen bösartigen Plan… Hartsfield will Rache, und er will den Tod vieler weiterer Menschen.

Meine Meinung.
„End of Watch“ – unerklärlicherweise unter dem Titel „Mind Control“ auf Deutsch erschienen – ist der dritte Teil der Serie rund um Detective Kermit W. Hodges und seinem Team, bestehend aus der etwas autistischen Holly Gibney und seinem ehemaligen Gärtner Jerome Robinson. Während in Band 1 (Mr. Mercedes) vor allem die Geschehnisse am City Center und die Jagd auf Hartsfield im Mittelpunkt stehen, geht es in Band 2 (Finders Keepers) nur periphär um ihn. In Band 3 ist der Freak aber wieder zurück, auf zugegebenermaßen nicht ganz unvorhersehbare Art und Weise. Die Geschichte entwickelt sich schnell und nachdem King ja kein Anfänger ist, gewinnen die Figuren mit jeder Seite an Tiefe, so sehr, dass man sich am Ende dabei erwischt, sich einen bestimmten Ausgang zu wünschen. Und das, obwohl man es besser wissen sollte. Ist ja schließlich ein King-Werk. Dementsprechend spannend ist der Handlungsbogen, technisch ist an „End of Watch“ wahrlich nichts auszusetzen.

Alles da, was man braucht und auch Leser, die die ersten beide Teile nicht kennen, bekommen durch geschickte Kniffe und Rückblenden mit, was ihnen in den ersten beiden Teilen entgangen ist. Natürlich ist das Erlebnis aber umso spannender, wenn man eben schon Beziehungen zu Holly, Hodges und Hartsfield (seit wann steht King auf Alliterationen?) aufgebaut hat. Überraschungsmomente gibt es aber nicht wirklich, die Handlung ist doch halbwegs vorhersehbar. Interessanterweise stört mich das aber in diesem Fall nicht wirklich. Das Buch ist ein runder Abschluss für eine epische Geschichte, ein Ende, das Sinn ergibt. Oder wie Hodges zu Holly sagt: „We need to get closure.“

Wie alle der mittlerweile 55 (!) Romane von Stephen King ist auch dieser im King-Universum angesiedelt und hier und dort entdeckt man bekannte Namen und Handlungsorte. Die aufzuspüren, macht immer wieder Spaß. Apropos Spaß: Soweit ich mich erinnern kann, hat King eigene (politische) Meinungen über real exisiterende Personen weitgehend aus seinen Geschichten rausgehalten. Hier kann er es sich aber nicht nehmen und schreibt:

„He’s living like Donald Trump, Ruth Scapelli thinks. He killed eight people and wounded God knows how many more, he tried to kill thousands of teenage girls at a rock-and-roll concert, and here he sits with his meals brought to him by his own personal staff, his clothes laundered, his face shaved.“ (S. 60, Scribner)

Empfohlene Lesezeit.
Januar. Schließlich spielt das Buch in dieser Jahreszeit; ein Hauptthema sind Selbstmorde. Passend zur Jahreszeit, denn wusstet ihr, dass die Optimistengesellschaft herausgefunden hat, der deprimierendste Tag im Jahr sei der dritte Montag im Januar?

Letzter Satz.
„Because things can get better, and if you give them a chance, they usually do.“

Die Eckdaten.
Original: End of Watch (2016, Scribner)
Deutsch: Mind Control (geht’s noch blöder?)Seiten: 432
ISBN: 978-1-5011-2974-2

Zum Shop.

 

6 Kommentare

  1. Notwende

    „Alles da, was man braucht und auch Leser, die die ersten beide Teile nicht kennen, bekommen durch geschickte Kniffe und Rückblenden mit, was ihnen in den ersten beiden Teilen entgangen ist.“

    So ging‘s mir bei der „Lektüre“ (ähmm… Hörbuch) von Stephen King‘s „der Anschlag“, als der Protagonist in die (fiktive) Stadt Perry nach Maine kommt und dort auf jene Kinder trifft, die in seinem Klassiker „Es“ die Hauptrolle spielten!

    Like

  2. Notwende

    OT- Danke fürs „folgen“ meines Blogs! Ich fürchte allerdings, dass du womöglich nich viel Freude daran haben wirst…
    …politischerweise.
    Aber zumindest haben wir bereits eine gemeinsame Schnittmenge (Stephen King) entdeckt!
    (…erinnert mich an die Mengenlehre: ggT und kgV…)

    Like

Hinterlasse einen Kommentar